3 Fragen an: Theater der Immoralisten - Popart, Surrealismus und schwarzer Humor

Spielzeitbeginn am Donnerstag 17. Oktober 2019 @ Theater der Immoralisten, Freiburg

Das 2001 „gegen den Publikumsgeschmack als Studententheater mit unerhörtem Anspruch“ gegründete Theater der Immoralisten hat seinen Stammsitz seit 2010 auf dem Gelände des Stühlinger Gewerbehofs in Freiburg. Von den mittlerweile fast 20 festen Ensemblemitgliedern wurden seit dem rund 50 Stücke auf die Bühne gebracht. Verbindendes Element der Aufführungen ist die mit den Texten untrennbar verwobene, gesellschaftliche und politische Relevanz. Was sowohl für Eigenproduktionen wie Stammheim oder Aggropolis gilt und sich auch in der Wahl der Inszenierungen großer Namen fortsetzt. Brecht, Dostojewski, Fontane, Kafka.
www.immoralisten.de

Demnächst steht 10jähriges Spielstättenjubiläum an - wie wurde aus dem einstigen Studententheater ein professioneller Betrieb mit eigener Bühne, Eigen- und Fremdproduktionen sowie einem festen Ensemble?
Aus purer Notwendigkeit. Als das Studium fertig war, ging es darum was nun kommen soll. Niemand hat auf dich gewartet, und als freier Künstler zu leben bzw. zu überleben war die Herausforderung. Wir hatten inzwischen als Ensemble einen sehr guten Ruf aufgebaut und wollten nicht von vorne anfangen. Also haben wir versucht, Orte zu finden, wo wir spielen können - nicht besonders fruchtbar. Neue Orte in alternativen Locations aufzubauen - zu viele Fallstricke. Dann haben wir gesagt, entweder wir geben das auf oder bauen uns ein eigenes Theater auf. Und dann kommt das Wunder, wenn du den Weg der Wünsche gehst: Wir haben unsere Heimat im Stühlinger Gewerbehof gefunden, dessen Schicksal so offen war wie das unsere.



Eure Stücke weisen nicht selten popkulturelle Reminiszenzen auf. Zuletzt „Jedermann“, berühmt geworden als Kultstück der Salzburger Festspiele, bei Euch ins G-Rap Milieu projiziert. Geht es Euch hierbei um eine bekömmliche Aufbereitung von eher sperrigen Themen, den roten Faden oder persönliche Neigungen?
Gute Kunst war und ist für uns immer Spiegel ihrer Zeit. Wir sind als Künstler Teil unseres Jetzt, sind von unserer Zeit fasziniert, leiden an ihr, werden von ihr an- und umgetrieben. Daher suchen wir uns Stoffe und Stücke aus, von denen wir glauben, dass sie den Leuten heute etwas Wichtiges zu sagen haben. Ihnen Erkenntnis geben - sie inspirieren - sie anschlagen.
Daher ist für uns auch die Trennung von Pop- und Hochkultur völliger Unsinn. Beides durchdringt sich ja ständig und reagiert aufeinander. Im Fall vom „Jedermann“ war es der Anreiz, einen Text, der erstmal so sperrig daherzukommen scheint, freizulegen, und das zu zeigen, was er wirklich zu bieten hat: Eine große Auseinandersetzung über Leben und Tod und was danach kommt. Das Gangsterrappermileu ist dafür ein schönes Setting, weil es erstmal alles aufbricht und den Staub abschüttelt und dennoch passt, weil es die ganze Zeit mit diesen großen Themen cool herumwedelt. Das macht den Blick wieder frei und ermöglicht eine neue Sicht auf das Stück. Darum geht es: Immer die Geschichte erzählen!



Puppentheater mal außen vorgelassen, unterhaltet Ihr vermutlich die jüngsten Besucher der Stadt. Wie würdet Ihr die noch nicht Gast gewesene Generation Netflix für eine Visite begeistern? Maximale Länge des Tweets, 280 Zeichen:
Unplug the web, get off the binge, grab a friend and get real: The whole world is a stage and the stage is a magic place in the word!


Die Immoralisten - Vorschau:
> Ab 17. Oktober 2019: 1919 - DIE VIER von Kreitmeier & Wetter
Hundert Jahre später – Versailles. Wir blicken zurück: Der letzte Teil unserer Trilogie über den Ersten Weltkrieg.
> Ab Dezember 2019: JEKYLL & HYDE von Robert Louis Stevenson
Robert Louis Stevenson berühmte Novelle ist die Vorlage zu unserer Studie über das Gute und Böse in jedem von uns.



Das Theater der Immoralisten startet mit dem Stück "Die Vier" in die neue Spielzeit 2019/20: "Die Welt muss neu vermessen werden. Lassen Sie uns diese Aufgabe in Angriff nehmen."

Artikelfoto: Das Bildnis des Dorian Gray © Theater der Immoralisten

Matthias Boksch