Interview: Johannes Heil

Als Produzent und Live-Act bereits seit den 90er Jahren hochaktiv, kann Johannes Heil mittlerweile auf eine veritable Karriere zurückblicken. In der Zeit seines Schaffens hat er es auf stolze zehn Albumreleases gebracht und nebenbei als Producer und Remixer bei einer ganzen Armada Szenegrößen Hand angelegt. Im August performt er im Freiburger Stinnes Areal und hat uns vorab schon mal einige Fragen beantwortet.

Von jeher sind deine Live-Sets von kraftvollem Techno geprägt, trotzdem erkennt man stets deine ganz eigene Handschrift. Wie würdest du deinen Stil beschreiben und was unterscheidet ihn vom Einheitsbrei?
Ich empfinde die Musik, welche durch mich entsteht als energiegeladen, entfesselt, mystisch, lebendig, sie ist roh aber nicht stumpf, ausgefeilt aber nicht glatt, ein Wechselspiel von Licht und Schatten, den eigenen Wurzeln treu bleibend und stets frischen Trieben folgend. Ich erwarte, dass in einem Track etwas vorzufinden ist, in dem ich mich selbst erkenne bzw. eine Emotion oder Energie enthalten ist, welche so stark mit mir resoniert, dass es sich wie eine Verschmelzung zur Einheit hin anfühlt.
Ich denke dadurch, dass ich mit einem anderen Maß messe als die Masse, entsteht eine Musik, die diesem Maß gerecht wird. Die Beatport-Charts dienen für mich nicht als Inspirationsquelle und kommerzieller Erfolg ist für mich kein Gesetz, dem ich mich kreativ unterwerfe. Auch ist es für mich nicht von Belang jedem gefallen zu wollen, es genügt mir völlig, selbst glücklich und zufrieden mit dem Geschaffenen zu sein und glücklicherweise habe ich ein kreatives Umfeld gefunden, in dem ich das darf - sogar soll.

Welche Einflüsse in deinem Leben, außer der Musik selbst, wirken sich besonderes auf deine Musik aus?
Es ist das Leben selbst, das eine so große Faszination und Inspirationsquelle für mich ist, im Grunde genommen hat jeder wirklich bewusst wahrgenommene Moment das Potenzial den Schaffensprozess zu beeinflussen und somit zu befruchten. Die drei Prinzipien mit welchen wir alle tagtäglich zu tun haben, Energie, Materie, Geist, sind die Quelle einer jeden Inspiration, es sind die drei geeinten Prinzipien, welche das was wir Leben nennen ergeben.

Im Februar ist die EP „Lifesigns“ auf Len Fakis Imprint Figure erschienen. Worauf darf man sich dieses Jahr noch freuen?
Ich habe zusammen mit Len ein Projekt gestartet, es heißt LFJH. Vor einigen Tagen ist die erste Frucht unserer Zusammenarbeit in die weite Welt entlassen worden, an der zweiten arbeiten wir gerade und sind kurz vor der Fertigstellung. In Anbetracht der Freude beim Schaffen und der resultierenden Musik würde ich sagen da kommt noch einiges. Eine neue Solomaxi für Figure ist bereits fertig, ein deepes Listening-Dub-Album auf Figure SPC steht in den Startlöchern und Studiosessions mit Markus Suckut beginnen genau heute, auch da hab ich vollstes Vertrauen, das etwas Schönes entstehen wird.

Wie darf man sich dein gegenwärtiges Live-Setup vorstellen? Stehen da noch überall Maschinen rum wie in den 90er Jahren, oder baut das mittlerweile auf Ableton auf? Siehst du die Digitalisierung des DJing und des Produzenten-Daseins kritisch?
Ich baue auf den Dialog, das heißt es sind sowohl analoge als auch digitale Klangerzeuger in meinem Live-Setup enthalten, natürlich nutze ich einen Computer mit einer digitalen Audio-Workstation um Parts zu Sequenzen, Audiotracks abzufeuern, Effekte zu errechnen und eine verlässliche Midi-Clock zu erzeugen. Ich sehe einige Dinge kritisch, am allermeisten jedoch Spalterei, alles im Leben hat einen Nutzen und einen Preis, wenn wir uns dessen bewusst sind gibt es wenig Gründe sich über Dinge zu erzürnen, wer es mag rein digital aufzulegen oder zu produzieren hat meines Erachtens das gleiche Anrecht und den gleichen Wert wie jemand, der den rein analogen Pfad, oder wie in meinem Fall den „dialogen“ Weg wählt. Ich denke es ist wesentlich wichtiger welche Intention hinter dem Produzieren und Auflegen steckt. Geht es nur darum reich, berühmt und sexy zu sein wird alles immer nur an der Oberfläche kratzen, sowie vom empfinden des Senders her, als auch in der emotional geistigen Berührung des Empfängers seiner Kunst.

So leicht wie sich viele ein Musikerleben vorstellen ist es oft nicht. Was motiviert dich nach fast 20 Jahren Techno-Business immer wieder auf die Bühne und ins Studio zu gehen? Hast du je an eine längere Pause oder gar ans Aufhören gedacht?
Mich motiviert die Liebe zur Musik, die ständige Neugier, der Hunger, der Durst nach dem nächsten Moment in welchem etwas entsteht, dass eine ungekannte Farbe trägt und bald darauf erneut im Klang der Stille vergeht. Die Bühne bringt mich dazu ins Studio zu wollen und das Studio schickt mich auf die Bühne zurück. Es gab Momente in welchen ich sehr verzweifelt war und fürchtete alles zu verlieren und die Musik aufgeben zu müssen, doch gedankt sei es dem Schöpfer war dieser Weg nicht für mich bestimmt.

Hast du einen Beruf erlernt, hast du andere Leidenschaften oder Hobbies? Was würdest du wohl tun, wenn es die Musik in deinem Leben nicht geben würde?
Ja sicher, ich musste damals vor ungefähr 18 Jahren einen „ordentlichen Beruf“ erlernen, um von meinen Eltern den Rückenhalt erwarten zu können mein Glück in der Musik suchen zu dürfen. Ich habe eine Lehre bei der Post gemacht, bin also gelernter und zertifizierter Botschaften und Sendungsüberbringer, auch Briefträger genannt. Ich spiele in meiner Freizeit sehr gerne Boule während des Weintrinkens oder doch anders herum. Es gibt viele Dinge, die ich gerne tue, eigentlich ist mein ganzes Leben ein Hobby, auch das Leid welches darin vorkommt, denn es ist letztendlich da um zu reifen und zu heilen. Wenn ich keine Musik machen würde, wäre ich jetzt wahrscheinlich ein wahnsinniger Nerd auf der Suche nach dem Ventil, das den Druck des Gefühls von Unvollständigkeit ablässt.

Dein skurrilster/witzigster/außergewöhnlichster Gig bis jetzt im Jahr 2013?
Mein Gig in Bari im Sunbay Club, gemeinsam mit Len und Markus war fabelhaft. Der ganze Tag war wunderschön, gemeinsam anreisen, etwas Leckeres zusammen essen um im Anschluss eine tolle Feiernacht mit einem extrem tanzwütigen Publikum zu erleben. Das sind Momente, in denen sich die Seele voller Freude empor schwingt und dein ganzes Sein von Dankbarkeit erfüllt ist.

Letztes Statement, Grüße, Wünsche, Ankündigungen?
Das Leben ist ein Wunder, es zu sehen, zu hören, zu schmecken, zu riechen, es mit allen Sinnen zu erfassen ist keine Selbstverständlichkeit. Sich dessen bewusst zu sein ist ein Segen. Seid mir alle herzlich gegrüßt, ich wünsche euch von Herzen, dass ihr diese Einsicht empfangen habt oder es werdet. Denn eure Freude wird sehr groß sein zu wissen wie schön es ist auf der Welt zu sein.

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Johannes Heil performt am 7. September im Club Offenburg.

Deniz Binay