Denk ich an Freiburg in der Nacht ... Part 2
Darius Lohmüller (The Deadnotes)
Um überhaupt zukunftsfähig zu bleiben/werden sollte das Freiburger Nachtleben …
... weiter daran arbeiten sich intensiver zu vernetzen, aufeinander zuzugehen und sich szeneübergreifend öffnen. Das Freiburger Nachtleben und die Subkultur sind in meiner Wahrnehmung immer noch sehr zersplittert und viele spannende Projekte, Bands, Künstler*innen oder Veranstaltungen finden zu häufig unter dem Radar anderer Kulturschaffender sowie deren Umfeld statt.
So werden sie einem größeren Publikum vorenthalten. Die Szene inszeniert sich gerne als offen und tolerant und es entstehen immer wieder tolle Ansätze. Meiner Erfahrung nach aber zu selten Ideen oder (Veranstaltungs-)Konzepte, die sich trauen außerhalb der eigenen Komfortzone und Blase zu denken.
Till Neumann (Zweierpasch)
Lockdown-Learning: Meine Erkenntnis aus kein Rave, kein Konzert, keine Party …
... ist, dass es der Kreativität guttun kann. Ewig überleben können wir Künstlerinnen und Künstler aber nicht, solange wir wie Arbeitende zweiter Klasse behandelt werden.
Caroline Günther (Das Jos)
Was habt ihr denn alle?! In Freiburg kann man sich doch …
... ganz wunderbar politisch links-alternativ verorten und zugleich konservativ-spießig handeln, ohne dass das irgendwie komisch wäre. Man denke zum Beispiel an Bürger*innenvereine. Solange Bürger*innenvereine, in denen sich in erster Linie Menschen, die Wohneigentum in Freiburg besitzen und deren Ziel es ist, diesen Wohnraum lukrativ zu erhalten, gerne auch für Tourist*innen, einen machtvollen Raum schaffen, um ihre eigennützigen Anliegen durch private Beziehungen in die Stadtpolitik tragen zu können, wo sie Gehör, Verständnis und Unterstützung finden, während subkulturelle Betriebe durch polizeibehördliche Kontrollen und amtliche Bescheide systematisch unterdrückt und geschröpft oder an städtische Randzonen abgeschoben werden, was besonders für Frauen*, BIPOCs, LGBTTIQs gefährlich bis tödlich werden kann, Macht also wie immer an Geld und gesellschaftliches Ansehen, definiert nach kapitalistischen und bürgerlichen Werten und damit hochgradig normiert, also ausschließend, wertend, hierarchisierend und kriminalisierend operierend, geknüpft ist, wird es meiner Meinung nach keine positiven Veränderungen im Sinne von Akzeptanz und Toleranz geschweige denn Wertschätzung für die subkulturelle Nachtkultur in Freiburg geben können.
Shaddy (Foul & Sunk)
Wäre ich Clubbetreiber, ich würde …
... den wesentlichen Teil meines Budgets in eine ordentliche PA investieren, damit der Sound so klingt wie er klingen muss. Es braucht nicht viel für eine gute Party. Aber guter Sound ist das A und O. Und leider habe ich im Freiburger Nachtleben noch nie eine perfekte Anlage in einem Club gehört.
Hanna Teepe (ZMF)
Lockdown-Learning: Meine Erkenntnis aus kein Rave, kein Konzert, keine Party …
Foto: © Klaus Polkowski
... da fehlt einfach was - und zwar ganz entschieden! Denn auch dieser Bereich ist einfach systemrelevant. Der Mensch braucht Orte und Gelegenheiten, um zusammenzukommen, sich auszutauschen, zu feiern.
Inzwischen lassen sich gewisse Veranstaltungen - unter enormen Einschränkungen für Veranstalter sowie Besucher - durchführen und die Gastronomie läuft wieder an. Das gilt jedoch nicht für Partys und Clubs, die nach wie vor nicht stattfinden oder öffnen dürfen. Spätestens an überfüllten Bars und Kneipen merkt man jedoch, dass das Partyleben für viele Leute dazugehört und das Fehlen dessen immer spürbarer wird.
In diesen Zeiten wird auch deutlich, wie wichtig Zusammenhalt ist und dass wir alle an einem Strang ziehen müssen. Man sollte nicht erwarten, dass alles klappt und funktioniert - am besten noch von alleine wie von Zauberhand - und man selber keinen Beitrag dazu leistet. Zusammenhalt ist momentan wichtiger denn je. Das gilt auch für eine künftige und langfristige Gestaltung des Nachtlebens.
Chico (Swamp)
Bei dem ganzen Geheule um Clubsterben und Totentanz fehlt mir …
Foto: © Felix Groteloh
... eine Reflexion auf das Gesamte. Vor allem, ob die vermeintliche Kultur auch wirklich wert ist, Kultur genannt zu werden. Will heißen: Man sollte manchmal zu bestimmten Dingen nicht zwingend immer seinen Senf dazu geben. Ansonsten: Alles gut, jede Stadt bekommt die Kultur, die sie verdient. Keep the Faith.
Markus Schillberg (Multicore e.V.)
Musikalisch gesehen könnte in Freiburg ja …
Foto: © Felix Groteloh
... auch viel mehr gehen. Unsere Stadt hat brachliegende Potenziale, worum uns andere beneiden müssten - würden wir diese endlich nutzen: Wir sind eine der jüngsten Städte Deutschlands, haben einen quasi nie versiegenden Strom an jungen, kreativen und engagierten Köpfen. Gleichzeitig befinden wir uns im Dreiländereck in unmittelbarer Grenznähe zu Frankreich und der Schweiz - mehr im Herzen Europas geht nicht! Davon merkt man vor Ort jedoch viel zu wenig.
Wir müssen raus aus unserer selbstgenügsamen Blase, uns stärker vernetzen, die europäischen Förderinstrumente im Kulturbereich auch nutzen. Ich will eine Buslinie sehen, mit der man nach Colmar ins Le Grillen oder aus Frankreich kommend ins Atlantik zum Konzert und wieder zurück fahren kann.
Freiburgs Raumnot im gesamten Kulturbereich ist beschämend. Klar, Wohnraum ist essentiell und nicht nur in Freiburg ein riesen Problem. Aber ohne Räume zur Selbstermöglichung bringt mir auch der schönste neue Stadtteil nix. Ich hoffe, dass man das im Stadtplanungsamt auf dem Schirm hat, wenn es etwa um die Entwicklung des neuen Stadtteils Dietenbach geht. Im Bestand hat Freiburg trotz aller Raumnot noch ein dickes Brett brachliegen: Die Stadthalle. Das markante und zentral gelegene Objekt gehört zu den wenigen, welche sich in städtischem Besitz befinden. Es heißt, diese soll nun gewinnbringend oder zumindest sich selbst tragend vermietet werden. Das wäre nach der vertanen Chance Lokhalle eine weitere Ohrfeige für die Freiburger Kulturlandschaft. Denn da gehört Kultur rein. Nur Kultur. Und nix anderes.
Da Kultur alles dürfen muss, darf sie auch unrentabel sein. Muss sie auch. Klar, es gibt Bereiche, in denen Wirtschaft und Kultur zwei Seiten derselben Medaille darstellen können. Aber das gelingt eben nur in einem Teilbereich. Hofiert man immer nur diesen, normativiert man den Motor sämtlicher Innovation. Übrig bleiben - worst Case - Kommerz und Mainstream.
Wir aber wollen Vielfalt. Das ist Freiburgs Markenkern. Und der zahlt sich gerne auch mal indirekt aus. Also bitte: keine privat-public Partnership Modelle mehr für die wenigen Orte, aus denen wir als Stadt noch was machen können. Dafür mit weitem Horizont richtungsweisende Entscheidungen treffen, auch wenn's erstmal weh tut und Geld kostet. Dieses Investment darf sich die Stadt nicht entgehen lassen.
Jochen Schmitt (SonderBar)
Online-Spenden, Benefiz-Gigs, Gutscheine und Soli-Merch – das reicht doch längst nicht um die Clubkultur zu retten, da braucht es schon …
... festgelegte Zahlungsbedingungen für Pacht, Strom, Wasser und alle Verbindlichkeiten, die wir Betreiber jeden Monat bezahlen müssen. Das Land, der Bund, die Stadt - jemand muss klare Regelungen definieren. Man kann nicht einfach auf die Gutmütigkeit der Vermieter vertrauen. Wenn wir unsere Läden schließen müssen und somit keine Umsätze mehr generieren können, warum müssen wir dann die Umsätze und Mieteinnahmen der anderen weiterhin aufrechterhalten?
Des Weiteren finde ich es schade, dass nach der Wiedereröffnung der Restaurants und Bars das restliche Nachtleben kaum noch erwähnt wurde. Es fühlt sich an, als würde man uns zum Sterben zurücklassen.
Rosi Roselle (RoCa DJ-Team)
Bei dem ganzen Geheule um Clubsterben und Totentanz fehlt mir …
... der Blick auf das Wesentliche, nämlich die Clubs und das Nachtleben das wir nach wie vor haben. Nur zu gerne schauen wir neidisch auf andere Städte mit ihren Szenen, coolen Clubs, Sperrzeitbefreiungen und dem sowieso viel angesagterem Nachtleben als das unsere. Aber sehen das die Menschen in diesen Städten die wir so beneiden denn auch so? Wohl kaum, denn googelt man Clubsterben, wird einem ganz schnell klar, das ist nicht nur ein Freiburger Problem, sondern geht weit über die Landesgrenzen hinaus. Mal ‘ne kurze Frage: Was wollen wir eigentlich mit noch mehr Clubs und Bars? Jedes Mehr-Angebot führt zwangsläufig zu noch mehr Totentanz, mehr Angebot bei gleichbleibender Anzahl Feiernder führt wiederum zu vermehrten Schließungen das wir dann als Clubsterben bezeichnen. Die Frage ist wohl eher, wonach suchen wir? Was fehlt uns? Vergleichen wir zu viel und sind unsere Erwartungen zu hoch?
Meine Antwort darauf ist: Mir fehlt hier nichts, deswegen suche ich auch nicht.
Ich denke das Clubsterbenrumgeheule ist so ‘ne altersbedingte Sache (ähnlich wie Rücken oder so) und geht erst ab einem bestimmten Alter los. Davor ist es uns fast egal, denn wir feiern die Partys so wie sie fallen und machen sie nicht permanent davon abhängig wo sie stattfinden oder mal stattgefunden haben. Ich denke, wir sollten viel öfter aus unserer Komfortzone raus und mal neue Läden ausprobieren, denn nur so können wir auch mal positiv überrascht werden. Denn nicht nur unser gewohntes Samstagnacht-Wohnzimmer ist cool, sondern eventuell auch der ein oder andere Laden in der Stadt von dem man noch gar nicht so viel gehört hat.
Clubs sterben im Übrigen auch nicht einfach so. Meistens schließen sie, weil niemand mehr hingeht und nur in den wenigsten Fällen müssen sie einer städtischen Maßnahme weichen. Auf der ständigen Suche nach Neuem vergessen wir nur zu oft mal nach links und rechts zu schauen und zu betrachten, was wir bereits haben. In der momentanen Situation fühlt es sich etwas paradox an sich über das „normale“ Clubsterben Gedanken zu machen. Denn wenn es so weiter geht und den Clubbetreibern sowie den zugehörig Betroffenen nicht endlich in einem angemessenen Verhältnis geholfen wird, werden wir ein Clubsterben sehen, wie es zuvor noch nie eins gegeben hat.
Club ist Kultur. Tanz ist Kultur. Dieser Raum und diese Freiheit müssen unbedingt erhalten werden!
Artur Frei (ArTik e.V. & IG Subkultur)
Am meisten am Freiburger Nachtleben nerven mich …
... drei Dinge: 1.) Dass es, meiner Meinung nach, keine nennenswerten Clubs mehr gibt, die den Namen verdient haben. Slowclub ausgenommen, weil dort hauptsächlich Bands spielen und ich mich als Raver sehe. Artik ausgenommen, weil das Freizeichen auch kein reiner Club ist, auch wenn dort Partys steigen.
2.) Dass Menschen an der Abendkasse meinen, über den Eintritt verhandeln zu müssen. Klar sind 10 Euro nicht wenig Geld. Ich bin auch broke. Aber diese Leute vergessen, dass im attraktiven Nachtleben, so wie ich es verstehe, keine Kohle zu holen ist und die meisten Veranstalter froh sind, wenn sie auf 0 kommen und gegebenenfalls ihr Booking bezahlen können. Show some Respect und zahlt einfach den Eintritt, ohne Kassenmenschen und Türstehern auf die Nerven zu gehen.
3.) Dass es scheint, als hätte man es mit übermächtigen Strukturen zu tun. Anwohner*innen, Bürger*innenvereine, Teile der Stadtverwaltung und mächtige Finanzinteressen sind der absolute Endgegner für jeden, der sich für die Kultur, die ich repräsentieren möchte, engagiert. Wir bräuchten eigentlich zwei Clubbürgermeister*innen, drei bezahlte Szenebeauftragte, mindestens zwei Musikerhäuser und vier neue Clubs (davon mindestens zwei szeneverwaltet) auf dem Dietenbach Areal, um auch nur ansatzweise das herzustellen, was es in Freiburg mal gab vor einigen Jahren.
Und in dieser Liste sind noch nicht einmal Freiflächen für Raves aufgeführt, die es bis dato immer noch nicht gibt, obwohl man seit zwei Jahren darüber spricht und darauf hinarbeitet. Liebes Freiburg, wunder dich bitte nicht, wenn auch der letzte Szeneaktivist irgendwann so frustriert ist, dass er keinen anderen Ausweg mehr sieht, außer zu resignieren und nach Berlin zu ziehen.
Ella Stracciatella (LocArtista & Skinny Bitch DJane Team)
Durch die momentane Inexistenz des Nachtlebens bzw. kultureller Veranstaltung fehlt mir am meisten …
... die Vernetzung mit anderen Künstler*innen und Kulturschaffenden vor Ort. Ich finde, dass kulturelle Veranstaltungen, und besonders die des Nachtlebens, eine wichtige Plattform zur Vernetzung der Freiburger Akteur*innen aus Kunst und Kultur sind. Genau dieser Austausch, der zustande kommt, wenn ich andere Personen der Freiburger Kulturszene zufällig an einer Bar, bei einem Konzert oder bei einem Theaterstück treffe, fehlt mir aktuell sehr! Klar ist aber auch: Damit wir baldmöglichst wieder durchstarten können, müssen wir aktuell, zumindest was Präsenzveranstaltungen angeht, noch geduldig sein und das Ganze wirklich behutsam, durchdacht und solidarisch angehen. Je früher wir die aktuellen Hygienemaßnahmen lockern oder Besucher*innenzahlen wieder erhöhen, desto schlimmer könnte eine weitere Pandemiewelle ausfallen. Das könnte am Ende auch noch die verbleibenden Kulturstätten in den Ruin treiben. Um das zu verhindern, appelliere ich an alle, verantwortungsvoll mit den Lockerungen umzugehen, damit wir beim Abklingen der Pandemie noch immer etwas haben, worauf wir direkt wiederaufbauen und was wir dann hoffentlich umso intensiver wertschätzen und genießen können.
Die vergangenen Monate haben uns sicher gezeigt, dass man scheinbar selbstverständliche Dinge erst dann wirklich zu schätzen weiß, wenn man sie entbehren muss. Dementsprechend hoffe ich, dass wir das Freiburger Nachtleben in der Zeit nach Corona gemeinsam solidarisch hegen und pflegen werden wie nie zuvor!