Wie ist Freiburg so? - Ein Text von Sophie Passmann

Man ist in Freiburg nicht auf Ärger aus...
Neben ihrer Tätigkeit als freie Autorin veröffentlichte die Freiburgerin 2014 ihr erstes Buch „Monologe angehender Psychopaten“. Vor die Kameras von arte, SWR und zdf.kultur brachten sie jedoch insbesondere ihre gewitzten Poetry Slam Beiträge. Sie erhielt den Kulturförderpreis der Int. Bodenseekonferenz und war für den Deutschen Radiopreis, Kategorie „Beste Newcomerin“ nominiert.
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Jule Markwald gestaltet sie außerdem den „Keep It In Your Pants“-Podcast. Thema? Männer & Popkultur.
 
Ich kann die Frage
„wie ist Freiburg so?“
von Fremden
überhaupt nicht fassen.
Weil ich die dann am liebsten mitnehmen will
mitten in den September
wenn die Sonne sich einfach stundenlang nicht traut,
unterzugehen.
Den ganzen Tag lag flirrende Hitze auf dem Kopfsteinpflaster
und der Asphalt kühlt endlich langsam ab.
Alles liegt in Gold
und alle pilgern zu dieser dämlichen, blauen Brücke
als gäbe es da irgendwas umsonst.
Wie so’n Student.
Wie so’n Erstsemester.
Als wär der Ausblick besonders toll.
 
„Guck mal, wenn der Himmel wolkenfrei ist, kannst Du bis zur
B31 sehen!
Und hörst Du den lieblichen Klang der Rangierloks direkt auf
den Gleisen unter uns?“
 
Im Sommer schleppen die Studenten ihre semesterferiengeplagten,
sonnengegerbten Leiber
nie wieder in ihre sardinendosenartigen WG-Zimmer;
cause there’s no place like home.
Alles liegt in Gold
nach zwei Bier im Kastaniengarten
fragst Du Dich, ob der Kanonenplatz so heißt, 
wegen der Bombenstimmung.
Und wieso die Frauen hier immer noch nicht gemerkt haben,
dass bedruckte Pumphosen kein bisschen Indien sind.
 
Schlecht gekleidet.
Leicht betrunken.
 
Die Dreisam schimmert schön
und kühlt gleichzeitig das Bier.
Wie viele Semester wurden im Ufergras der Dreisam seit
Stadtbeginn insgesamt verschwendet?
Ganz spontan Urlaubssemester eingelegt.
Urlaubssemester für alle!
(Außer für Dich, Du studierst Medizin!)
Leicht betrunken und mit Sonnenstich
dann verstehen:
Vielleicht sehen manche Profs nur so schlecht gelaunt aus
weil Lehrstühle sehr sehr unbequem sind...?
-
Früher oder später werden selbst sie lachen müssen.
Wenn man nur lang genug hier wohnt, 
entdeckt man irgendwann seinen inneren Christian Streich.
Denn wer absteigt,
holt nur Anlauf...
um beim nächsten Mal noch ein bisschen höher zu springen.
 
Man ist in Freiburg nicht auf Ärger aus
solange Du nicht auf Fahrradwegen rumstehst.
Oder Burschi bist.
Oder wenn Du nicht Grün wählst.
Oder ein Auto hast.
Den Müll nicht trennst.
Wenn Du sagst:
„Stefans Käsekuchen ist nicht lecker“
oder wenn Du nach 22 Uhr noch wagst
in der Altstadt laut Luft zu holen.
Der Zement in den Fugen der Stadt
sind renitente Rentner 
und Langeweile.
Geschlossene Clubs und offene Herzen.
Laute Beschwerden und leise Musik.
 
Ich kann die Frage
„wie ist Freiburg so?“
von Fremden
einfach nicht ertragen.
Weil man erleben muss
wie im Winter der Höllentaler den Heimweg unerträglich macht.
Wie man sich fast unfreiwillig durch physikalisch waltende
Massenveranstaltungskräfte
über die Rathausgasse schieben lässt.
Wenn Weihnachtsmarkt ist
oder im Februar,
wenn man betet:
„bitte dieses Jahr keine Fasnet!“
wenig später
die Auslagen beim Bäcker aber wieder vor fettigen Scherben
triefen,
und Du satt und fast besänftigt bist,
und Du Dich über das matschige Konfetti,
das sich in den Rillen der Bürgersteige
mies festsetzt
einfach hinwegsetzt.

Freiburg ist nicht mehr
als die größte
Kleinstadt der Welt.
Und wenn Du Dir die Stirn an den engen Stadträndern mal
wieder wund stößt,
musst Du das Kinn nur einen Zentimeter heben,
und schon siehst Du über die Dächer
in den Schwarzwald.
Die Landschaft ist so schön
man lernt über alles andere
hinwegsehen.

Artikelbild: © Sophie Passmann
Sophie Passmann